Urteil im Halle-Prozess

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2020
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“In seiner Begründung ist das Urteil, mutlos, harmlos und entpolisierend,” mit diesen Worten begann die Pressekonferenz der Nebenkläger*innen durch Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk. Dem Rechtsterroristen von Halle wurde bereits zu Beginn des 26. Prozesstages sein Schicksal vorgetragen. Er wird eine lebenslange Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verbüßen. Das die Schuld des Täters im Vorhinein bekannt gewesen ist war uns alle klar. Der Prozess hatte die Aufgabe die Sozialisation, die Motivation und die Tathergänge näher zu beleuchten. Die kritische Auseinandersetzung mit dem rechten Terroranschlag wurde nur zum Teil durch das Gericht vollzogen. Viel eher waren es die Nebenkläger*innen und die eingeladenen Berichterstatter*innen die einen wichtigen Beitrag dazu lieferten. Antisemitismus, Rassismus und Misogyine als Tatmotive anzuerkennen sind primär auf das Handeln der Nebenkläger*innen zurückzuführen. 


Als Jüdische Studierendenunion Deutschland sind wir wütend und traurig, dass der Angriff auf Ismet Tekin und das beinahe Überfahren von Aftax Ibrahim seitens der Richterin Ursula Mertens nicht als Mordversuch gewertet wurde. Unsere Solidarität gilt ihnen und wir werden weiter gegen die Verharmlosung von Rassismus in unserer Gesellschaft kämpfen. 


Trotz des Wunsches der Nebenkläger*innen und wissenschaftlichen Analysen war die  mediale Berichterstattung zum Halle-Prozess von einer wahnhaften Obsession des Täters geprägt. Wir verweisen an dieser Stelle auf unseren Videobeitrag, welcher unsere kritische Reflektion mit dem Halle-Prozess zusammengefasst.

( https://fb.watch/2wA_1M5ASH/)

Auch Nebenklägerin und Überlebende des Anschlags Naomi Henkel-Guembel fand kritische Worte zur Arbeit vieler Medienvertretenden, da sie das Bild und den vollen Namen des Täters über den gesamten Prozesszeitraum publizierten. Denn genau diese Art der Berichterstattung kann als Inspiration für potenzielle Nachahmer dienen. 

Der Prozess mag heute sein Ende gefunde haben, aber der Kampf um Gerechtigkeit hat gerade erst begonnen. Wir werden weiter für gesellschaftliche Teilhabe und Sichtbarkeit kämpfen. Wir werden weiter fundierte Kritik an staatlichen Institutionen üben und wir werden unsere Arbeit gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und Misogynie vorantreiben.



Foto: Halle gegen Rechts