Statement zum "Lagebild Antisemitismus 2021/2022"

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat am 20. April 2022 ein „Lagebild zu Antisemitismus 2021/2022“ veröffentlicht. Diesem ist zu entnehmen, dass Antisemitismus in diversen sozialen und kulturellen Milieus vorzufinden ist. Der umfassende Bericht liefert weitreichende Einblicke in die Verbreitung antisemitischen Gedankenguts bundesweit. Dem Lagebild zufolge stellt Antisemitismus aus rechtsextremen Strukturen nach wie vor eine immense Bedrohungslage dar. Das Lagebild verdeutlicht auch, dass sowohl in linksextremen als auch in islamistischen Spektren Antisemitismus zunehmend zum Problem und damit zur Gefahr für Jüdinnen:Juden wird. Verschwörungsideologische Mythen, die vor allem im Kontext der Corona-Demonstrationen zum Vorschein gekommen sind, stellten eine neue Dimension des öffentlich ausgelebten Judenhasses dar.
Für eine insgesamt differenziertere Erfassung des weltanschaulichen Hintergrunds antisemitischer Vorfälle würden wir allerdings die Kategorisierung des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus empfehlen. Diese erfasst Vorfälle nach rechtsextrem-/ rechtpopulistischen, linksextrem-/antiimperialistischen, christlichem/ christlich fundamentalistischem, verschwörungsideologischem, islam-/ islamistischen Hintergrund sowie antiisraelischem Aktivismus und Antisemitismus der politischen Mitte. Insbesondere Letzterer wird im Lagebericht nicht ausreichend thematisiert.

Statt der weltweit anerkannten und auch von der Bundesregierung adaptierten „IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ zu folgen, führt das Lagebild zusätzlich auch die den israelbezogenen Antisemitismus verkennende „Jerusalemer Erklärung“ auf und versucht – ohne klare Position zu beziehen – einen schwammigen Kompromiss vorzuschlagen. Die Jerusalemer Erklärung wird insbesondere von BDS-Unterstützern instrumentalisiert, um den eigenen Hass gegen den jüdischen Staat Israel zu legitimieren. Vor diesem Hintergrund ist die Gleichstellung dieser mit der IHRA-Definition höchstproblematisch. Obwohl der Lagebericht auf israelbezogenen Antisemitismus eingeht, wird folgendes außer Acht gelassen: Die Aberkennung des Selbstbestimmungsrechts von Jüdinnen:Juden ist eine Erscheinungsform des modernen Antisemitismus, denn Antizionismus ist Antisemitismus!

Insgesamt gibt der Bericht einen guten Überblick über die Realitäten der dramatischen Judenfeindschaft in der deutschen Gesellschaft wieder.
Dementsprechend ist es umso wichtiger, dass der Kampf gegen alle Formen des Antisemitismus konsequent und mit allen Mitteln des Rechtsstaats geführt wird.
Folglich kommt es jetzt darauf an, dass die Bundes- und Landesregierungen alles in ihrer Macht stehende tun, um die Selbstbestimmung und Sicherheit von Jüdinnen:Juden im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten.