Keine kulturelle Kolloboration mit Antisemit*innen

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2020
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Sehr geehrter Herr Gill, 


am 20. Juli 2020 fand im Rahmen des Masterstudiengangs “Kulturjournalismus” der Universität der Künste (UdK) in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Berlin die Auftaktveranstaltung zur Veranstaltungsreihe “Stimmen aus Nahost” statt. Dem dort vermittelten Narrativ begegnen wir als Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) mit Sorge.


Zur Auftaktveranstaltung “Kulturelle Kollaborationen im Nahen Osten” wurde unter anderem der Journalist und Fotograf Ahmad Al-Bazz, Mitglied des Kollektivs ActiveStills, eingeladen. Laut der Veranstaltungsbeschreibung handelt es sich hierbei um ein Kollektiv, das jede Form von kultureller Kollaboration mit dem Staat Israel, die nicht auch dezidiert politische Ziele hat und sich gegen Normalisierung des Konflikts ausspricht“, ablehnt. (https://praxis-udk.de/2020/06/24/kulturelle-kollaborationen-im-nahen-osten/


ActiveStills tritt nach eigenen Aussagen für einen Narrativ einer einheitlichen Region vom “Jordan River” bis zum “Miditerranean Sea” ein, was an die antisemitische Parole “From the river to the sea, Palestine will be free” erinnert, die Israels Existenzrecht negiert.


Das Kollektiv unterstellt Israel Kolonialismus sowie Rassismus und dokumentiert diverse Formen des Widerstands, der scheinbar in allen seinen Formen als legitim erachtet wird.


“Activestills approaches the region between the Jordan River and the Mediterranean Sea as one, working to expose the most blatant attack on human rights and freedom within these borders: 

the Zionist settler-colonial project led by Israel against the Palestinian population. One of our main topics of documentation is the various forms of resistance against the colonial project, on both sides of the Green Line.” (https://www.activestills.org/about_us/ )


In der Vergangenheit publizierte Ahmad Al-Bazz mehrere Artikel auf der Online-Plattform “Electronic Intifada”. Bei “Electronic Intifada” handelt es sich um eine Plattform, die primär über den israelisch-palästinensischen Konflikt schreibt. Dabei werden antiisraelische und antisemitische Narrative verbreitet. Der Mitgründer und Geschäftsführer von “Electronic Intifada”, Ali Abunimah, ist ein offener Unterstützer der vom Bundestag 2019 als antisemitisch verurteilten BDS (Boycott, Divestment & Sanctions)-Bewegung. Auch Al-Bazz hat keine Berührungsängste mit der BDS-Bewegung. 



Im vergangenen Jahr gab er BDS Türkei ein ausgiebiges Interview. In diesem zog er Parallelen zwischen dem damaligen Apartheidstaat in Südafrika und dem heutigen Staat Israel. Außerdem sprach er sich gegen eine Zusammenarbeit aus. (http://bdsturkiye.org/bds-haberler/activestills-ile-soylesi-bir-gerilla-fotografciligi-gunduz-direnisi-fotografla-gece-sergi-ac/?fbclid=IwAR0cLRrP02-92BIzGr_dcR-1GYdb3C2avBlR59BFYoWATAA7EtYHV6eyqFI ) Neben der Veröffentlichung von Artikeln mit positiven BDS-Bezügen, relativieren Abunimah und “Electronic Intifada” regelmäßig die Shoa und verharmlosen palästinensische Terrorattentate.  


Bereits im Einleitungstext der Veranstaltung wird BDS-Jargon verwendet, indem von einer “Normalisierung der Machtgefälle” die Rede ist. Auf ihrer Webseite erläutern die BDS-Aktivist*innen, wie sie den “Normalisierungs-Begriff” instrumentalisieren und zu welchem Zwecke sie ihn verwenden: http://bds-kampagne.de/2012/04/01/bds-debatte-ueber-normalisierung-und-selektiven-boykott/ 

”...dass der Begriff Normalisierung für Beziehungen gilt, die ein irreführendes und betrügerisches Bild von Normalität, Symmetrie, Gleichstellung vermitteln, wo eine offensichtlich anormale und asymmetrische Beziehung kolonialer Unterdrückung und Apartheid besteht.”

Die Verwendung des “Normalisierungs-Begriffs”, der aus dem Arabischen “tatbi” (Darstellung von etwas Abnormalen als etwas Normales) übersetzt worden ist, deutet auf eine Politisierung der Lehrveranstaltung hin, die allerdings den Anspruch der Neutralität und Objektivität erhebt. 


Am 12. März 2019 hat der Berliner Senat als erstes deutsches Bundesland ein Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention beschlossen. Als Grundlage des Berliner Verwaltungshandelns soll die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der “International Holocaust Remembrance Alliance” (IHRA) gelten. In der IHRA-Definition heißt es”: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann.”

Weiterhin steht in der Arbeitsdefinition: 

“Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.”


Aus dem Bericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) geht hervor, dass es in Berlin 2019 insgesamt 881 dokumentierte antisemitische Vorfälle gab. Der antiisraelische Aktivismus war das Spektrum, dem die zweitmeisten Vorfälle zugeordnet werden konnten. 


Am 19. November 2019 nahm die Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz die Resolution “Gegen BDS und jeden Antisemitismus” an, die ebenfalls die IHRA Arbeitsdefinition beinhaltet. https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/kein-platz-fuer-antisemitismus/

Mit der Veranstaltungsreihe “Stimmen aus Nahoste” hat die Universität der Künste gegen diese Resolution verstoßen. 


Als staatliche Institution unterliegt die Landeszentrale für politische Bildung öffentlicher und parlamentarischer Kontrolle. In unseren Augen ist es unverständlich wie angesichts des steigenden israelbezogenen Antisemitismus die Landeszentrale für politische Bildung eine Veranstaltungsreihe mit antiisraelischen Aktivist*innen fördern kann, die zudem deutlich gegen den Senatsbeschluss des Landes Berlin verstößt.


Als Jüdische Studierendenunion Deutschland sind wir um jüdische Studierende besorgt, die durch diese Lehrveranstaltungen zur Projektion von antiisraelischen Narrativen genutzt werden könnten.

Es liegt sowohl in der Verantwortung der Universität der Künste, als auch der Landeszentrale für politische Bildung Berlin, Antisemitismus entschlossen entgegen zu treten und nicht diesen durch Lehrveranstaltungen zu begünstigen.

Daher fordern wir Sie dazu auf, sich öffentlich von den antiisraelischen Inhalten der Veranstaltungsreihe “Stimmen aus Nahost” zu distanzieren, Klarheit zu schaffen und künftige Projekte, die Antisemitismus begünstigen, nicht finanziell zu fördern. 


Mit freundlichen Grüßen,


Vorstand


Bild: berlin.de